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Die Frau im Meer und das Glitzern in der Tiefe


Ich fühlte nichts außer der bitteren Kälte, die mich umschloss und bis ins Innere erzittern ließ. Dieser Ort war so verlassen wie es ein Mensch in seiner einsamsten Stunde nur sein konnte und ein dichter Nebelschleier hang über dem aschebedeckten Boden, während dunkles brodelndes Grollen den Grund unter mir zum Erbeben brachte. Ich knickte ein, denn meine Beine wollten mich nicht länger tragen, doch ich musste weiter und so stolperte ich weiter geradeaus, auf wackeligen Beinen, meine Augen brannten und weinten graue Asche.

Und so lief ich und lief voran, durch weite kahle Täler, über Berg und Gestein, immerzu am schwarzen Fluss entlang. Die furchtbare Leere legte sich bedrückend wie ein Mantel über das Land. Mein Atem, so schwer, schien mich zu ersticken, ich hörte kein Herz mehr in mir schlagen. Nach Stunden, die wie Jahre dauern, wich kein einziger Sonnenstrahl durch die dichte Wolkendecke, die sich so unheilvoll über der Welt ausbreitete, dass sie die so wichtige Sonne verdeckte, als wollte es, dass wir sie auf immer vergaßen, wie ich es einst schon tat.

Der kommende Wind brachte den Duft von salzigem Wasser mit sich und schon erstreckte sich vor mir das dunkle weite Meer, dessen Wellen tosend im Kampfe erstickten und wieder erlebten. Mit nackten Füßen stolperte ich über den harten Kies bis sie endlich das Wasser erreichten. Ich fühlte keine Erlösung, nichts als die bittere Kälte. Gedankenlos ging ich dem Meer entgegen, die Wellen brachen laut durch mich hindurch, zogen mich immer mehr zugrunde, in das salzige Wasser, das in mein schmutziges Gesicht wehte und letztendlich verschlang es mich, das düstere Meer.

Ich schwebte hinab, immer tiefer und tiefer in die Dunkelheit hinfort und wie könnte ich mich nur nach der Sonne sehnen, wenn ich sie doch längst vergessen habe, die helle wärmende Sonne.

Meine Augen sehen nichts, mein Körper spürt nichts, mein Herz schlägt nicht. Was hat die Liebe nur mir angetan, so blind vertraut habe ich ihr, für sie gekämpft habe ich und so schmerzvoll ließ sie mich zurück, erstochen und verblutend, dreckig in der weiten Kälte ausgesetzt, wo kein Licht scheinen kann. Die Liebe, sie brachte mir nur Schmerz und Leid.

Ich gab mich hin, der Hilflosigkeit, dem Ende, und fühlte nichts, trieb hinab mit verkrustender Haut, dem Nichts entgegen. Dies war der eine Moment, zur Kapitulation bestimmt, und ich will ihn packen, doch dort, in weiter Ferne, schimmert ein Glitzern, und so klein es auch scheint, es existiert und während es behutsam näher kommt, legt sich wohlige Wärme um mich und nun, da ich den kleinen Punkt endlich sanft berühre, höre ich ein lautes Krachen als die Kruste bricht, die meine Haut undurchdringlich einzusperren suchte. Und plötzlich verflüchtigt sich all der Schmerz in das Glitzern deiner Augen, als du im saftig grünen Gras über mir liegst und dich der weite Sternenhimmel über uns nur noch mehr erstrahlen lässt.

Und ich sehe vor mir unsere Zukunft, wir beide, Hand in Hand, in Küssen versinkend, wir lachen und tollen oft umher, genießen jeden Sonnenstrahl miteinander und wir wissen, dass wir die Sonne nie vergessen müssen. Wir reisen ihr überall hinterher und bekommen nie genug. Wir lieben uns und eines Tages erblüht unsere eigene Sonne Sejuani hervor und wir lieben sie, wie auch wir uns immer liebten. Ich spüre den Duft von Rosen, den Duft einer liebevollen Ewigkeit.

Doch die Wolkendecke zieht herbei und legt sich düster auf Glückseligkeit. Wie schön die Liebe auch sein mochte, so gefährlich lauerte sie doch im Schatten, aufmerksam, um einen letzten Todesstoß zu setzen. Ich dachte an die kalte Asche, die in meinen Augen brannte, an den Nebel, der nie verschwand, an das Meer, das mich womöglich für immer verschlingen würde, daran, das hatte Liebe mir nur angetan.

Und all das sehe ich in diesem Bruchteil einer Sekunde, in dem du mich so liebevoll ansiehst als gäbe es nichts mehr, das dich zerstören könnte und ängstlich schlägt mein Herz vor so bitt'rer Entscheidung.

Doch ich küsse dich das erste Mal und auf immer, denn all die Sorgen, Tränen und die Ausweglosigkeit, sind nichts gegen nur einen liebevollen Blick von dir und alle Angst verflüchtigt sich in die wohlige Wärme deiner Arme.

Und wenn ich so zurück an jene Zeit denke, bin ich zweifellos sicher, dass ich noch tausende Male über die Asche, hinfort ins finst're Meer gewandert wäre, wenn ich nur so mein Leben konnte mit dir teilen, denn ich bereue keinen Schmerz und keine Angst für den Moment mit dir an meiner Seite, und ich bin so glücklich wie nie zuvor.

Wer hätte gedacht, dass nur ein einziger Kuss alles konnte so zum Guten wenden, dass selbst diese Geschichte bis ans Ende ihrer Tage in Glückseligkeit schwebt.

Sie endet mit unserer Liebe und unsere Liebe endet nie.

© Paola Baldin

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