Die Nachricht
Und plötzlich kommt es mir wie ein Blitz in den Sinn, die Lösung für jenes katastrophales Dilemma, die Lösung für all das Leid, die Lösung alles Seins. Und sofort stürze ich den Stuhl und renne hinaus, die Nachricht fest in Gedanken versiegelt, um sie so schnell genug, so genau wie möglich, zu überbringen. Das ist sie, die letzte Chance, und ich renne wie ich noch nie gerannt bin, durch Wind und Wetter, das Blut kocht, der Atem wird schneller. Ich muss mich beeilen und schaue zurück, doch wie weit konnten mich meine Füße nur getragen haben, wenn meine Türe erst wenige Schritte hinter mir liegt? Einem Traum so gleich, in dem man so unbeweglich scheint, doch ich laufe weiter, gequält durch die Straßen, an den Häusern vorbei, so weit scheint noch das Ziel, so viele Menschen tümmeln sich in den Straßen und so bahne ich mir mühevoll meinen Weg.
Ein Lichtblick liegt in solch bitteren Dunkelheit und so rascheln und knacken die trocknen Blätter unter meinen wunden Füßen im benebelten Wald. Bäumen, Ästen und Dornensträuchern ist‘s kaum möglich auszuweichen, so stolpere ich von einem Fuß zum andern und husche gestochen und gepeitscht von Lichtung zu Lichtung und glaube mich hier gefangen, durch den dichten Nebel, in Ewigkeit. Doch nein! Da dringt der erste Strahl der Sonne durch das Dickicht und schon seh ich das erste Haus von Weitem. Von Hoffnung getrieben rase ich wie mein Herz auch rast, sodass ich denk, ich fliege. In all der Not, in all der Eil‘, such ich das einzig wahre Haus unter vielen, ungeschickt wie ein kleiner Junge, ganz verkratzt, mit Wunden an den Knien.
Und da erblick ich es, als leuchte es auf wie der Blick eines Gottes, bin ganz erstaunt von jener Pracht, dessen Nachricht zu überbringen nur mir allein zuteil war. Und ein letztes Mal strömt Luft durch meinen schwachen Körper wie bei einem alten Mann und ich laufe zum Eingang und reiße sie auf, die Tür, die ich so lang ersuchte, von Nervosität fast zerrissen blick ich hinein. Dann zieht sich ein langer finstrer Schatten vom Innern des Hauses über meine Augen hinweg, weitet sich aus, wie ein schwarzes Tuch über der verstummten Welt. Was für ein göttliches grausam unbarmherzig‘ Los war es doch, dass am Ende jenes Raumes, an jenem Fenster, keiner saß. Welch grausam Los zur falschen Zeit am falschen Ort zu stehen, das Ziel in immer weiterer Ferne zu sehn.
Und du, du sitzt zugleich an deinem Fenster und schaust zu jener Türe hin, die niemals aufgerissen werden würde; und die einst so allmächtige unverzichtbare Nachricht ist nun nicht mehr als ein altes gefallenes Blatt im Walde. Und so sitzt du an deinem Fenster, schaust hinaus in den nie enden wollenden Regen und geduldest dich auf etwas, das nie auch nur den Schein einer Existenz in sich barg: Erlösung.
© Paola Baldin