Traumgemälde
Einst gab es einen alten Mann, ungepflegt und verschlissen, seine Armut zerfraß seine Klamotten, seine Wohnung. Dieser alte Mann mit dem langen Bart hatte nichts außer seinen Farben, den Pinsel und der Staffelei. So saß er Tag für Tag in seiner grauen Wohnung und zeichnete auf das Papier. Er träumte immer vor sich hin und wünschte sich nichts Sehnlicheres als geliebt zu werden. Doch er hatte niemanden mehr in seinem Leben, Kontakt hatte er nur zu seinem Dienstmädchen, eine arme und doch stolze Frau, die sich lieblich um seine Wohnung kümmerte. „Ich kann Euch doch nicht in eurer Wohnung verrotten lassen, lasst mich Euch helfen.“, sagte sie, nachdem sie sich einst öfters trafen. Sie half ihm mit der Wohnung und erhielt dafür wunderschöne Landschaftsbilder, das eine schöner als das andere. Jeden Tag kam sie zu ihm und versuchte sich mit dem Mann zu unterhalten. Doch alles lehnte er ab, so brachte sie ihm oft schon Tee an seine Staffelei und grimmig schob er das Dienstmädchen zur Seite und sagte ein jedes Mal: „Lasst mich mit meiner Trauer alleine.“ Enttäuscht blickte sie immer zur Seite.
Mit jedem Tag wurde seine Sehnsucht noch größer, immer wieder fasste er sich in den Bart, riss an seinen Haaren, wütete durch die Wohnung, schreiend, weinend, schluchzend, wie auch in dieser Nacht. Schließlich fiel er schlafend zu Boden. Am nächsten Morgen kam das Dienstmädchen herein, erblickte den erschöpften Mann. Sie bückt sich zu ihm herunter und musterte ihn traurig, strich ihm seichte übers Haar. Sofort riss er die Augen auf, sprang vom Boden und setzte sich an seine Staffelei, würdigte die Frau keines Blickes. Traurig räumte sie das Wüten am vorigen Abend schweigend auf. Der bärtige Mann malte in seinem Wahn, sein Traum vor Augen. „Lieben.“, murmelte er im Wahn. „Wünschen… nie geliebt worden… Sehnsucht… Bitte… Liebe…“ Heftig zeichnete er mit bunten Farben, als übertrage er seine Wut auf das Bild, jeder Pinselstrich härter und gröber, schneller und schneller, die Farben vermischt, sie kommen immer näher, er blickt um sich herum und erblickt überall Farben. „Wow…“, entfuhr es seinen Lippen, seine Augen glitzerten, „ein Paradies und ganz allein mein, nur fehlt mir dennoch…“, und er stockte als er am Horizont eine zierliche Gestalt auf ihn zukommen sah. Engelsgleich schwebte eine schlanke, blasse Frau über das saftige Gras, weiße Blumen im goldenen Haar. So blieb sie vor dem Manne stehen, der geblendet war von dieser prächtigen Sonne Schein, sprachlos und doch voller Freude. „Liebste, so lange habe ich auf dich gewartet und nun stehst du hier vor mir, du bist es und niemand anders, du Traum der Träume.“ Himmlisch lachte sie und schwebte von ihm fort. „Warte!“, rief der alte Mann und rannte ihr hinterher. „Warte!“ Er stolperte und fiel zu Boden, das Gesicht zur Erde gewandt. Es herrschte Stille. Langsam blickte er wieder auf, das triste Grau um ihn herum, das Dienstmädchen ihm beim Aufstehen helfend. „Was tust du dir nur an?“, fragt sie mit Tränen in den Augen, setzt ihn wieder vor die Staffelei. „ich ertrage nicht mehr dich so zu sehen, ich kümmere mich so gut um dich, tue alles ohne Murren, verstehst du nicht, ich liebe dich!“ So stand die Frau nur schluchzend da, schaute ängstlich zu dem Manne. Dieser saß ganz leise da, starrte auf sein neues Gemälde. „Liebe.“, flüsterte er ganz sacht, strich mit dem Finger sanft über die engelsgleiche gemalte Gestalt, würdigte das Dienstmädchen keines Blickes.
„Hörst du nicht, was ich dir sage? Ich sagte dir, ich…“ Der Blick des Mannes schweifte in die Ferne, leise wurde es um ihn herum, Farbe umgab ihn saftig und schnelle, die Frau auf dem Bild tanzte herum. „Oh Liebste, nun bin ich hier, mein ganzes Leben mit dir zu verbringen, du Traum der Träume.“ Mit einer Handbewegung brachte sie ihn zum Schweigen: „Lasst mich mit meiner Trauer allein.“ Sie zeigte hinab auf ein Tal mit einer weiten Wiese, wo ein junger Mann stolz und anmutig ein Pferd dort ritt. „Nein!“, schrie der alte Mann verzweifelt. „Du liebst nur mich, du sollst, ich wartete so lange… Hörst du mir denn überhaupt zu?“ Doch der Engel blickte träumerisch hinab ins Tal, ein Glitzern in ihren Augen. Schluchzend hielt er seine Hände vor das Gesicht und schaute wieder nach einer Weile. Alleine war er mit seinem Gemälde, strich lieblich klagend über die gemalte Gestalt; das Dienstmädchen schon in weiter Ferne.
„Nichts sehnlicher wünsche ich mir, als dass jemand mich liebe.“, und starrte traurig auf sein Gemälde.
© Paola Baldin